Der ehemalige Volkswirt der Deutschen Bank und heutige Ökonom der Vermögensverwaltung Flossbach von Storch, Thomas Mayer, hat Thesen zur Demographie Afrikas veröffentlicht, die pseudowissenschaftlich Vorurteile rechtsaußen in unserer Gesellschaft bedienen.
Zunächst zitieren Sie in Ihrem Kommentar, lieber Herr Mayer, altbekannte Prognosen der UN und Weltbank zur Bevölkerungsentwicklung Afrikas, die eine Verdopplung der Bevölkerung von heute 1,2 Milliarden Menschen auf rund 2,5 Milliarden im Jahr 2050 voraussagen. Sie belegen diese Zahlen jedoch mit Prozentzahlen, die den Normalbürger aufschrecken müssen: Seit 1960 sei die Bevölkerung Afrikas um 364% gestiegen und werde bis 2050 um weitere 212% zunehmen.
Die Zahlen müssen den Bürger ja verängstigen. Nur wenden Sie leider nicht die statistischen Grundregeln an. Lieber Herr Mayer: Bevölkerungsentwicklung wird nach dem geometrischen Mittel berechnet und nicht nach dem arithmetischen. Und der Unterschied müsste Ihnen als Leiter des Flossbach-von-Storch-Research-Instituts ja geläufig sein.
Dann stellen Sie auch noch, da sind Sie ganz der Ökonom, eine Verbindung vom Bevölkerungswachstum zum BIP her. Und das entwickelt sich ja erbärmlich schlecht. Seit 1980 wuchs es um 0,7% jährlich. Nur, lieber Herr Mayer: Wenn Sie Bevölkerungswachstum und Wirtschaftswachstum gegenüberstellen, dann sollte der Bezugspunkt übereinstimmen (einmal nehmen Sie 1960, einmal 1980) und dann auch die Berechnungsweise (einmal nehmen Sie kumulierte Zahlen, einmal jährliche Durchschnittswerte). Wie sagen wir Ökonomen in einem Fall wie diesem gerne? Nicht alles, was hinkt, ist ein Vergleich.
Auf diese Weise bedienen Sie, lieber Herr Mayer – ob gewollt oder nicht, das kann ich nicht beurteilen -, das alte Vorurteil, das eine deutsche Prominente einmal im Fernsehen so ausgedrückt hat: “Der Schwarze schnackselt halt gerne.”
Diese Zahlen garnieren Sie dann noch mit den kruden Thesen von Gunnar Heinsohn, der darauf “hingewiesen” habe, “dass mit einer hohen Zahl junger Männer in einer schnell wachsenden Bevölkerung die Wahrscheinlichkeit für Kriege ansteigt”.
Lieber Herr Mayer, wie kommen Sie als intelligenter Mensch auf die Idee, einen solchen Unsinn ungeprüft zu zitieren? Dieser “Hinweis” von Gunnar Heinsohn ist nicht nur eindeutig völkisch gefärbt, sondern es ist Heinsohn auch nie gelungen, diesen “Hinweis” aus dem Bereich der Pseudowissenschaft herauszuführen. Das kann er auch nicht. Denn Kriege entstehen nicht, weil zu viele junge Männer ihren Überschuss an Testosteron abbauen müssen, sondern meistens dann, wenn eine Regierung beschließt, ihre Armee ungebeten in ein anderes Land zu schicken.
Lieber Herr Mayer, genauso wenig wie Sie auch nur den Hauch eines Belegs für Heinsohns “Hinweis” anführen, genauso wenig belegen Sie Ihre folgende Behauptung: “Die Zahl der Wirtschaftsmigranten und Flüchtlingen vor Krieg und Verfolgung aus Afrika und dem Nahen Osten wird folglich auf sehr lange Zeit zunehmen.”
Diese Behauptung können Sie auch gar nicht belegen. Denn Sie wissen ja gar nicht, wie lange “Krieg und Verfolgung aus Afrika und dem Nahen Osten” andauern werden. Und damit haben Sie sich gerade selbst ein Bein gestellt. Denn Sie geben ja zu: Nicht Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum sind das Problem, sondern Krieg und Verfolgung.
In diesem Punkt stimme ich Ihnen sogar zu. Wir sollten uns nicht mit bizarrer Pseudowissenschaft gegenseitig Angst einjagen. Sondern wir sollten uns dafür einsetzen, Krieg und Verfolgung einzudämmen. Dann werden wir auch mit dem Bevölkerungswachstum in Afrika genauso fertig wie mit der Überalterung der Gesellschaft in Europa. So ist es eben im Leben: Jede Zeit hat ihre Probleme, für die sie eine Lösung finden muss. Das ist uns in den ersten 300.000 Jahren des homo sapiens doch recht gut gelungen.