Erinnern Sie sich noch an die großen Konflikte in Afrika Anfang der 1980er Jahre? Damals war der Kontinent Schauplatz blutiger Stellvertreterkriege zwischen dem Westen und Ostblock. Heute ist Afrika friedlich geworden.
Nicht Europa war jahrelang der Hauptschauplatz im großen Konflikt zwischen Ost und Ost. Er ist im südlichen Afrika gelegen. Dort spielten sich blutige Guerillakriege in Angola, Mosambik, Namibia und Simbabwe ab. Auch anderswo in Afrika herrschte immer wieder Gewalt. Im Osten des Kontinents zerschlug der Bürgerkrieg in Äthiopien jede Hoffnung auf eine positive Entwicklung. Kaum war dieser beendet, brach in Sudan der zweite Sudanesische Bürgerkrieg aus.
Somalia ist seit den 1970er Jahren ein ständiger Herd für Unruhen, Bürgerkrieg und Anarchie. Dieser Konflikt findet immer wieder auch in Kenia statt. So ermordeten kenianische Sicherheitskräfte beim Wagalla-Massaker im Jahr 1984 Tausende ethnische Somalis. In der Sahara-Region sorgte lange der schwelende Krieg zwischen Libyen und Tschad für Spannungen. Zusätzlich wurde die Lage durch den zum Teil gleichzeitig stattfindenden Bürgerkrieg in Tschad erschwert. Hinzu kamen Ereignisse wie Ende 1985 der Krieg um den Agacher-Streifen zwischen Burkina Faso und Mali. Um vier Dörfer im Norden Burkina Fasos entbrannte ein blutiger Konflikt.
Heute konzentrieren sich bewaffnete Auseinandersetzungen auf wenige Brennpunkte. Die gesamte Sahelzone von Mauretanien über Mali, Algerien, Niger und Tschad ist ein ständiger Unruheherd. Sudan und Südsudan haben ihre Auseinandersetzung zwar beendet, doch ist der Waffenstillstand fragil. Auch der Konflikt im Westen Sudans, in Darfur, kann jederzeit wieder aufflammen. Somalia hat sich auf niedrigem Niveau beruhigt. Die abgespaltenen Regionen Puntland und Somaliland entwickeln sich sogar sehr gut. Die Lage im Osten der Demokratischen Republik Kongo hat sich gegenüber den vergangenen Jahren deutlich verbessert. Und auch der Waffenstillstand zwischen Marokko und der Bewegung Polisario in Westsahara hält bisher recht gut.
Angst vor Instabilität
Verglichen mit der Lage vor 40 Jahren lässt sich sagen, dass die Zahl der Konflikte in Afrika abgenommen hat und auch dass die Intensität der Konflikte stark gesunken ist. Wahrscheinlich war Afrika seit der Dekolonisierung noch nie so friedlich wie heute.
Allein der Putsch gegen den Präsidenten von Mali, Ibrahim Boubacar Keïta, Mitte August 2020 trübt dieses Bild. Doch der Staatsstreich von Soldaten gegen den Präsidenten verlief so friedlich, dass er auf kurze Sicht keine Gewaltwelle in Westafrika befürchten lässt. Allerdings zeigt der Putsch, dass Mali droht, ein dauerhaft instabiler Staat zu werden. Manche befürchten schon ein zweites Somalia, dieses Mal im Westen Afrikas.
Ohnehin ist Mali ist schwer zu regieren. Das Land ist etwa 3,5 Mal so groß wie Deutschland, zählt jedoch weniger als ein Viertel der Bevölkerung Deutschlands. Zudem liegen rund zwei Drittel des Staatsgebiets in der Sahara, wohingegen sich die Bevölkerung im Süden des Landes konzentriert. Der Norden ist hauptsächlich von Tuareg bewohnt, die als Nomaden in verschiedenen Staatsgebieten leben. Misstrauisch betrachten die Regierungen in der Region das Volk der Tuareg.
Vergleichsweise faire Wahlen
Auch ist die Wirtschaft Malis unterentwickelt. Großflächig kann Landwirtschaft nur entlang des Niger betrieben werden. Allerdings ist das Land reich an Bodenschätzen. Doch es gelingt kaum, diese zu fördern geschweige denn vor Ort zu verwerten. Während jeder Deutsche eine Wirtschaftsleistung (Bruttoinlandsprodukt je Kopf nach Kaufkraftparität) von durchschnittlich gut 52.000 US-Dollar erwirtschaftet, liegt diese Kennziffer in Mali bei einem Bruchteil davon, bei weniger als 800 US-Dollar. Damit ist die Arbeitsproduktivität in Mali so niedrig, dass der Rückstand uneinholbar scheint.
Dabei galt Mali vor 30 Jahren als Musterland in Afrika in puncto Demokratisierung. Seit 1992 wurden in Mali vergleichsweise faire Wahlen abgehalten. Auch herrscht Pluralismus. Bei Wahlen dürfen tatsächlich verschiedene Parteien gegeneinander antreten. Als ich im Februar 2012 Mali besuchte, sagte mir der damalige Präsident Amadou Toumani Touré, genannt ATT, er wolle das Land dezentralisieren. Als sein großes Vorbild für Föderalismus in Mali nannte er Deutschland. Wenige Wochen nach diesem Gespräch musste er in einem Militärputsch weichen, wie nun ATTs offizieller Nachfolger IBK, Ibrahim Boubacar Keïta.
Mali galt einmal als Musterland der Demokratie
Heute ist der politische Frühling der 1990er Jahre überganglos einem politischen Herbst gewichen. Staatsbedienstete in Mali werden mit Monaten Verspätung bezahlt, wenn überhaupt. Überall beklagt die Bevölkerung Ineffizienz, Misswirtschaft und Korruption. In vielen Teilen des Landes ist der Staat überhaupt nicht mehr vertreten.
„Die zerbrechliche Situation, in der sich das Land zurzeit befindet, könnte die Terroristen dazu verleiten, sich in den Lücken auszubreiten, die der malische Staat lässt“, sagt die Politikwissenschaftlerin Fatoumata Coulibaly von der Universität in der malischen Hauptstadt Bamako.
Es ist schwer abzusehen, welchen Weg Mali aus dieser Krise finden kann. Die Risse in der Gesellschaft, die Schwäche des Staates und die Zerrissenheit des Landes sind zu groß, als dass eine optimistisch stimmende Prognose möglich wäre. Dazu müsste die Verfassungskrise wohl durch eine neue Verfassung überwunden werden. Auch müsste es gelingen, den Krieg gegen den islamistischen Terror in der Sahelzone zu gewinnen. Und schließlich müsse die Bevölkerung eine wirtschaftliche Perspektive aufgezeigt bekommen.
Afrika ist friedlich geworden
Ein rascher wirtschaftlicher Aufschwung ist nur realistisch, wenn eine funktionsfähige Regierung an die Macht kommt. Sie müsste das Land rasch befrieden. Im Anschluss müsste sie den Abbau der vielen Rohstoffe forcieren. Dies müsste sie so klug organisieren, dass auch die Bevölkerung davon profitiert. In vielen anderen Ländern führten Rohstoffe nur dazu, dass sich eine kleine Clique an den Bodenschätzen bereichert.
Dann hat Mali die Chance an die Erfolge jener Länder anzuknüpfen, die ihre Konflikte erfolgreich überwinden konnten. Afrika ist in weiten Teilen ein friedlicher Kontinent geworden. Vor allem die Länder im südlichen Afrika profitieren seit Jahren von einer kräftigen Friedensdividende.