Ein hohes Bevölkerungswachstum und der Drang in die Städte machen eine geplante Stadtentwicklung notwendiger denn je.
Von Christian Hiller von Gaertringen
So unterschiedlich der afrikanische Kontinent auch ist, eine Konstante begleitet den Afrika-Reisenden stets – gleichgültig ob er in Lagos, Johannesburg, Addis Abeba, Nairobi oder anderswo landet: Der Flughafen ist stets eine riesige Baustelle. Unter Hochdruck arbeiten viele afrikanische Regierungen daran, ihre Kapazitäten am Boden auszubauen, weil es am afrikanischen Himmel immer gedrängter wird.
Dabei sind es längst nicht nur Fluggäste aus Europa, Nordamerika oder immer öfter Israel, Arabien oder China, die an den Terminals zu sehen sind. Auch der Flugverkehr innerhalb Afrikas nimmt stark zu. Und er wird in den kommenden Jahren weiter wachsen.
Afrika ist nicht nur der einzige Kontinent, auf dem die Bevölkerung zunimmt. Die Bevölkerung wächst auch besonders schnell. Im Jahr 1950 machten rund 220 Millionen Afrikaner knapp 9 Prozent an der Weltbevölkerung aus. Heute stellt der Kontinent mit etwa 1,2 Milliarden Menschen etwas mehr als 15 Prozent der Weltbevölkerung. Und im Jahr 2050 – das bedeutet in gerade einmal 35 Jahren – werden nach Zahlen der Vereinten Nationen rund 2,5 Milliarden Menschen auf unserem Nachbarkontinent im Süden leben. Bis dahin steigt der Anteil Afrikas an der Weltbevölkerung auf 25 Prozent. Europas Bevölkerung übrigens wird in diesem Zeitraum von heute etwa 740 Millionen auf 726 Millionen sinken und ihr Anteil an der Weltbevölkerung von 10,4 auf 7,5 Prozent.
Rund die Hälfte der Menschen, die in 35 Jahren in Afrika leben werden, ist somit heute gar nicht geboren. Diese jungen Menschen werden selbst Familien gründen wollen, Arbeitsplätze suchen, verreisen und Häuser oder Wohnungen bauen.
Ein zweiter Trend wird den afrikanischen Kontinent prägen: Das Bevölkerungswachstum wird zum größten Teil in den Städten stattfinden. Städte bieten einfach mehr Möglichkeiten für die aufstrebende Mittelschicht, die in vielen afrikanischen Ländern entsteht. Außerdem kann Afrika zwar diese zusätzliche Bevölkerung ernähren. Doch dazu muss die Landwirtschaft effizienter werden. Damit mehr Menschen von landwirtschaftlichen Erzeugnissen leben können, werden in Zukunft weniger Menschen in Afrika von der Landwirtschaft leben. Mehr Menschen werden somit ihr Glück in den Städten suchen.
Die Bevölkerung der nigerianischen Wirtschaftsmetropole Lagos wird laut dem UN Habitat Report von 2014 in den kommenden zehn Jahren von heute rund 13 Millionen auf 19 Millionen steigen. In Kinshasa, der Hauptstadt der Demokratischen Republik Kongo, wird die Einwohnerzahl von heute 10 Millionen auf mehr als 14 Millionen anschwellen. Ähnlich rasant wachsen Kairo, Nairobi, Dar es Salaam, Addis Abeba oder Abidjan in Elfenbeinküste.
Eines steht fest: Afrikas boomende Wirtschaft braucht Immobilien. Und mehr noch brauchen Metropolen eine geordnete, planmäßige Stadtentwicklung, eine Koordinierung, um den drohenden Kollaps abzuwenden. Afrikas Metropolen benötigen nicht nur Flughäfen, sondern auch Straßen, Eisenbahn, Busse, Straßenbahnen oder U-Bahnen, Straßenbeleuchtung, Systeme zur Versorgung mit Strom, Wasser, Glasfiberkabeln und Systeme zur Entsorgung des Mülls und des Abwassers. Hinzu kommen Schulen, Universitäten, berufsbildende Einrichtungen, Krankenhäuser, Hotels, Spielplätze, Verwaltungsgebäude, Büros, Fabriken, Lagerhallen, Einkaufszentren und Wohnungen, jede Menge Wohnungen in sämtlichen Preisklassen. Kurz, es fehlt an allem.
Das Risiko ist groß, dass eine schlecht geführte oder un geplante Stadtentwicklung zu chaotischen Riesenansammlungen von Menschen führen. Schon heute ist die öffentliche Infrastruktur – Strom, Wasser, Müllabfuhr, Straßen und öffentliche Verkehrsmittel – völlig überlastet. Immerhin entsteht auf dem Kontinent ein Problembewusstsein.
Beispiel Nairobi: In Kenias Hauptstadt ist eine voraussichtige Stadtentwicklung nicht nur wegen des hohen Zuzugs neuer Menschen notwendig. An den Rand der Stadt grenzt auch der 1946 eröffnete Nairobi-Nationalpark, Heimat für rund 80 Säugetierarten, selbst Nashörner, Giraffen und Zebras, und mehr als 200 Vogelarten. Er ist nur rund 7 Kilometer vom Stadtzentrum entfernt und liegt auf den natürlichen Wanderrouten zahlreicher Tierarten. Die größte Gefahr für den Nationalpark ist der enorme Bevölkerungsdruck aus der überbordenden Großstadt. Unter diesem Druck leiden auch viele Parks und Wälder in der Stadt und gefährden Nairobis Ruf als grüner Metropole.
Nun will die Stadt ihre Entwicklung geplanter angehen. So haben das britische Unternehmen Austin-Smith Lord, das kenianische Unternehmen Saad Yahya & Associates und das Ingenieurbüro Mott Macdonald vor vier Jahren einen Plan für die Entwicklung der Metropolregion bis zum Jahr 2030 vorgelegt. Der soll in den kommenden Jahren Schritt für Schritt realisiert werden.
Andere Städte arbeiten an ähnlichen Plänen. Vieles ist erst noch im Entstehen begriffen. Der entscheidende Punkt liegt jedoch woanders: Die internationale Immobilienwirtschaft sollte die Urbanisierung in Afrika nicht als Risiko sehen, sondern als Chance, diese Entwicklung mitzugestalten.
Der Autor ist Wirtschaftsjournalist und hat im Verlag Hoffmann und Campe das Buch „Afrika ist das neue Asien. Ein Kontinent im Aufschwung“ veröffentlicht.
288 Seiten, 22 Euro. ISBN: 978-3-455-50323-4.
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