Unternehmer und Politiker aus Deutschland treten in Afrika immer wieder als Schulmeister auf. Das kommt nicht unbedingt gut an. Afrikaner suchen Begegnungen auf Augenhöhe.
Der afrikanische Teilnehmer einer deutschen Wirtschaftskonferenz in Afrika meldet sich wutentbrannt: „Wie kommt Ihr Deutsche dazu, uns Lektionen erteilen zu wollen?“ Der erfolgreiche Unternehmer, Eigentümer einer Versicherungsgesellschaft, einer Immobiliengesellschaft und diverser Industrieunternehmen, ärgerte sich über die Auftritte deutscher Politiker und Manager. „Die tun so, als wären wir unfähig, und als würde Deutschland jetzt die Probleme Afrikas lösen“, beschwert sich der afrikanische Unternehmer weiter. „Jeder weiß, dass wir in Afrika viele Probleme haben, und jede Unterstützung bei der Lösung ist willkommen. Aber wir wissen selbst, was zu tun ist und was gut für uns ist.“
Afrika ist für viele deutsche Politiker, Unternehmer und Manager immer noch der unbekannte Kontinent. Anders als Frankreich oder Großbritannien sind die Beziehungen zwischen Deutschland und Europas Nachbarkontinent im Süden zwar weniger durch die koloniale Vergangenheit belastet. Aber sie sind auch weniger gewachsen und weniger eng. Nur wenige Deutsche leben dauerhaft in Afrika, Kapstadt ausgenommen. Wenige Manager zieht es für eine ausgedehnte Berufsstation in den Süden, um die Karriere voranzubringen. Und umgekehrt zieht es relativ wenige Afrikaner nach Deutschland, das ihre Ausbildung und Berufserfahrung in der Regel weit unter ihrem Wert anerkennt. Afrikaner müssen in Deutschland weit unter ihren Fähigkeiten als Putzfrau, Putzmann, Straßenkehrer oder Tellerwäscher arbeiten. Ihre Kinder werden überproportional oft auf die Hauptschule geschickt, obwohl sie die Fähigkeiten für die Realschule oder das Gymnasium hätten.
Afrika ist für die Deutschen nichts als der Kontinent der Hoffnungslosen, der Kranken und Söldner. Afrika gilt als der Hartz-IV-Kontinent schlechthin, ein Kontinent des Elends, den wir mit Brotlieferungen, Altkleidern und abgetragenen Schuhen unterstützen müssen, damit diese Masse nicht in ihren Lumpen nach Europa drängt und das Wohlbefinden in unseren Reihenhäusern stört.
Dieses Bild ist nicht völlig falsch, doch die meisten Afrikaner empfinden es als ungerecht, einseitig und zunehmend realitätsfern. Ja, Afrika hat nach wie vor enorme Schwierigkeiten. In den meisten Ländern hängt die Wirtschaft immer noch viel zu stark von der Landwirtschaft und damit von der Frage ab, ob in der Regenzeit genügend Regen fällt oder nicht. Und ja, es gibt in Afrika Korruption – so wie es auch in Russland, China, Südamerika und in Teilen Osteuropas Korruption gibt. Und wie war das noch? Gab es nicht auch deutsche Unternehmen, die in großem Stil Korruption betrieben haben. Erinnert sich noch jemand an die Namen?
Es zeichnet ein gutes Bild der Deutschen, dass sie für diese Schwierigkeiten in Afrika nicht blind sind, dass sie spontan viel und gerne spenden, wenn schnelle Hilfe in Afrika gefordert ist. Deutschland ist ein Land der Spender, und davon profitiert gerade der afrikanische Kontinent. Das wird auch vor Ort wahrgenommen, auch wenn sie wenige Möglichkeiten haben, ihre Dankbarkeit in Europa zu zeigen.
Diese Menschlichkeit sollte die Deutschen jedoch nicht dazu verleiten, herablassend auf die Afrikaner zu reagieren, sondern sie als Menschen wahrnehmen, die sich mit Mut, Energie, Zielstrebigkeit, geringsten Mitteln und einem unerschütterlichen Optimismus wie auch mit viel Humor daranmachen, ihren Kontinent aufzubauen.
Afrika hat in den vergangenen Jahrzehnten Erstaunliches zu Wege gebracht: Der Kontinent ist politisch stabiler geworden. Die Zahl der Konflikte ist enorm zurückgegangen. Die Hungerkrisen sind weniger und weniger heftig geworden. Und der Kontinent hat eine Vielzahl an herausragenden Unternehmern hervorgebracht. Sie werden Afrika wirtschaftlich weiter voranbringen.
Diese Leistung sollten wir Deutsche sehen, um den Afrikanern auf Augenhöhe zu begegnen und um von ihnen zu lernen. Denn das ist das Schönste an neuen Begegnungen, wenn wir von unserem Gegenüber das mitnehmen, was wir von ihm lernen können.
Dann erkennen wir vielleicht auch die Leistung der schwarzen Putzfrau an der Schule unserer Kinder an, wie sie trotz Hochschulabschluss diese beschwerliche Arbeit auf sich nimmt, um ihren Kindern eine gute Zukunft zu ermöglichen – und welche Lebensleistung dahintersteht.