Von Christian Hiller von Gaertringen
Entlang der Ngong Road raus aus Nairobis Stadtzentrum in den schicken Vorort Karen sammeln sich seit Jahr und Tag die Händler: Pflanzen in schwarzen Plastiksäckchen finden sich auf der linken Straßenseite. Auf der rechten zeigen Möbelhändler und Eisenschmiede Beispiele ihrer Kunst: schmiedeeiserne Tore, Betten, Kommoden.
Dazwischen haben sich einige Schildermaler gezwängt. „This land is NOT for sale“, dieses Grundstück steht nicht zum Verkauf, ist derzeit ein Verkaufsschlager. Das Wörtchen NOT findet sich in allen möglichen Schriftgrößen.
„Kenia wird für viele internationale Investoren attraktiv, weil die Renditen hoch sind und der Rechtsrahmen sehr sicher ist“, berichtet Christine, Anwältin in einer der führenden Kanzleien des Landes. Das Rechtssystem orientiert sich an dem der einstigen Kolonialmacht Großbritannien. So können Investoren Grundstücke fest für 99 Jahre in Erbpacht erwerben. Auch ist der Grundstückstransfer sicher, seitdem der Staat Zertifikate über den Eigentumsübertrag ausstellt und zudem Gutachten beispielsweise über toxische Rückstände im Boden verlangt.
Karen zählt zu den gesuchtesten Wohngebieten in Kenias Hauptstadt. Eingebettet in eine üppige Parklandschaft finden sich großzügige Villen auf noch größeren Grundstücken – eine Mischung aus Grünwald und Grunewald direkt am Äquator. Karen ist ein Lieblingsziel der Immobilienentwickler, die sich daran machen, die Anwesen zu verdichten und mit drei, vier oder gar fünf Villen zu bebauen.
Im Stadtzentrum von Nairobi ist der Immobilienboom genauso voll im Gang – und das schon seit gut zehn Jahren. In den vergangenen Jahren hat sich ein Büroturm nach dem anderen in den Himmel am Äquator geschraubt. Viele internationale Unternehmen haben sich hier angesiedelt. Der Aufschwung, der Kenias Wirtschaft seit Jahren um 5 Prozent jährlich und mehr wachsen lässt, zieht viele Unternehmen aus dem Ausland an.
Der Münchner Elektronikkonzern Siemens beteiligt sich am Ausbau des kenianischen Stromnetzes. Der Hamburger Kosmetikkonzern Beiersdorf stellt mit großem Erfolg in Kenia „Nivea“-Produkte für den ostafrikanischen Markt her. Sogar der Stuttgarter Sportautohersteller Porsche hat eine Niederlassung in Nairobi eröffnet. Und in den Supermärkten der Stadt finden die Verbraucher deutschen Sekt und deutschen Riesling.
Eine zahlungskräftige Mittelschicht entsteht in Kenia. Dies lockt Konsumgüterhersteller aus der ganzen Welt ins Land. Und die Hoffnung, im Großen Graben Erdöl, Erdgas und andere Rohstoffe zu finden, lässt amerikanische, britische, südafrikanische und australische Explorationsunternehmen nach Kenia strömen. Der steigende Wohlstand in Kenia treibt zudem die Nachfrage nach gutem Wohnraum. Die Mittelschicht strebt in die Mehrfamilienhäuser, die überall in der Stadt entstehen. Ihr Standard hält leicht einem Vergleich mit europäischen Wohnimmobilien stand. Die Besserverdienenden ziehen in die Siedlungen mit Einfamilienhäusern, die in Stadtteilen wie Lavington, aber auch zunehmend am Stadtrand, etwa in Thika, entstehen. Bis zum Jahr 2025 wird sich die Einwohnerzahl Nairobis laut Schätzung von UN Habitat von derzeit rund 3,2 Millionen auf 6,1 Millionen fast verdoppeln.
Die hohe Nachfrage macht Immobilienprojekte wirtschaftlich attraktiv. Für Bestandsgebäude liegt die Rendite für Wohnimmobilien bei 6 Prozent jährlich, hat die Immobiliengesellschaft Knight Frank in einer Untersuchung des kenianischen Marktes festgestellt. Für Büros und Industrieimmobilien liegt sie bei 8 Prozent und für Einzelhandelsflächen gar bei 8 Prozent. Die monatliche Miete für Büros liegt bei 8 US-Dollar je Quadratmeter und damit auf einem Niveau, das auch in vielen europäischen Städten bezahlt werden muss.
Diese Renditen sind vielen Immobilieninvestoren in Kenia jedoch viel zu niedrig. An einer Hand kann Rechtsanwältin Christine die Bürogebäude in Nairobi aufzählen, die in den vergangenen Jahren saniert worden sind: „Die Equity Bank hat ihr Gebäude renoviert, und dann war noch eins und noch eins…“, sagt sie. „Die Investoren interessieren sich mehr für Projektentwicklung.“ Denn dieses Geschäft verspricht deutlich höheren Ertrag.
Mit der Entwicklung neuer Immobilienprojekte lassen sich Gewinne von leicht 50 Prozent und mehr erzielen. So entstehen rund um Nairobi ehrgeizig konzipierte Gewerbeparks wie Konza City, Tatu City oder Ken Gen’s Industrial Park, aber auch Wohnprojekte wie Garden City im nördlichen Speckgürtel von Kenias Hauptstadt. Westlich von Nairobi soll Machakos City entstehen, eine komplett neue Stadt. Doch werden dem Projekt bisher wenig Chancen eingeräumt. „Seit Jahren reden die Macher von Machakos und präsentieren schöne Prospekte“, berichtet der Immobilieninvestor Peter. „Doch geschehen ist noch nichts.“
Lange stammten Immobilieninvestoren vor allem aus dem Land selbst. Sie entwickelten die Projekte mal mehr und mal weniger professionell. Nun interessieren sich jedoch zunehmend institutionelle Investoren aus dem Ausland für den kenianischen Immobilienmarkt. Zum großen Teil stammen sie aus Südafrika. Auch der Initiator von Private-Equity-Fonds Actis hat Immobilien entdeckt. Private Equity, das sind traditionell in erster Linie Beteiligungen an Unternehmen, die schnelles Wachstum versprechen. Nun hat sich jedoch Actis auch an der Entwicklung von Garden City beteiligt. Offenbar sind bei Immobilien die Renditeerwartungen mindestens genauso hoch.
Andere Fondsgesellschaften wie MMI Holdings haben Immobilienfonds aufgelegt, die in afrikanische Projekte investieren, sowohl im Einzelhandel wie auch in Büros und Gewerbeimmobilien. Auf ein Volumen von 250 Millionen Dollar soll der achtjährige MMI-Fonds Momentum Africa Real Estate Fund kommen. Der interne Zinsfuß – im Branchenjargon auch als Internal Rate of Return oder IRR bekannt – soll bei 18 bis 20 Prozent liegen. Erste Investments in die Entwicklung eines Büroparks in Ghana und in Bürogebäude in der ruandischen Hauptstadt Kigali stehen kurz vor dem Abschluss. Nun schaut die Branche darauf, ob die Fondsmanager im kenianischen Immobilienmarkt fündig werden.
Viele Investoren werfen offenbar auch schon ein Auge auf die großen Flächen zwischen dem internationalen Flughafen und der Stadt: Grundstücke in vielversprechender Lage mit bester Anbindung. Es liegt auf der Hand, dass Flughafen und Nairobi in wenigen Jahren zusammengewachsen sein werden. Vorsorglich hat eine Institution der katholischen Kirche am Rande der Schnellstraße zum Flughafen schon ein großes Schild an ihrem großzügigen Gelände aufgestellt: „Dieses Land gehört der Kirche. Es steht nicht zum Verkauf.“
Der Autor ist Wirtschaftsjournalist in Frankfurt und hat im Verlag Hoffman & Campe das Buch „Afrika ist das neue Asien. Ein Kontinent im Aufschwung“ veröffentlicht.
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